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Drei Zimmer für uns allein oder: Wie “Abschaffung der Problemzonen” entstand

Liebe Leserinnen und Leser,

sicher kennen Sie Virginia Woolfs Essay A Room of One’s Own, Ein Zimmer für sich allein, und den daraus oft zitierten Satz, um Fiktion zu schreiben, brauche ein Frau 500 Pfund im Jahr und ein eigenes Zimmer, kurz gesagt: finanzielle Unabhängigkeit und Raum zum ungestörten Arbeiten. In dem zwei Jahre später erschienenen Essay Professions for Women*) schrieb Woolf darüber hinaus, es sei nötig, den sogenannten “Engel im Haus” in sich abzutöten, um schreiben zu können, also die sorgende, Care-Arbeit übernehmende Frau, die sich mehr um die Bedürfnisse aller anderen im Haushalt kümmere als um die eigenen, die Frau, die ihre Zeit, ihre Arbeitskraft und ihre emotionalen Ressourcen für andere aufwende.

An diese beiden Texte musste ich im Entstehungsprozess der “Abschaffung der Problemzonen” von Meike Rensch-Bergner sehr oft denken. Erste Ideen für ein Buch, das die Diskurse über Frauenkörper und Kleidung aus feministischer Perspektive verbinden sollte, tauschten Meike und ich schon Anfang 2016 aus. Aber kontinuierlich, zielstrebig daran weiterzuarbeiten, war uns beiden kaum möglich, denn allerlei Verpflichtungen in der Familie, Sorge für Kind, alte Eltern, Ehepartner, kurz gesagt: Die Verpflichtungen des Engels im Haus kamen dazwischen. Im März 2019 war Meike zwei Tage in Berlin und wir diskutierten in dieser Zeit fast ununterbrochen über die mögliche Struktur des Buchs, tranken zusammen literweise Kaffee und hatten viele Ideen (unter anderem für eine Schnittmusterbeilage), die wir wieder verwarfen, veränderten und neu zusammenstrickten – aber in den zwei Tagen erreichten wir mehr als in den Wochen zuvor. Meike schickte mir erste ausformulierte Kapitel und schrieb quasi nebenbei “Passt Perfekt. Schnittmuster an die eigene Körperform anpassen” für den EMF-Verlag, das seither zu dem Standardwerk über Schnittmusteränderungen für Hobbyschneiderinnen geworden ist, und gleich im Anschluss die Fortsetzung, “Passt Perfekt Plussize”.

Work in progress in Bassendorf

2020 kam die Pandemie und damit, wie wir alle wissen, viele, viele Zusatzaufgaben für die Engel im Haus. Aber die “Abschaffung der Problemzonen” wuchs und wuchs, vielleicht sogar aus Trotz. Die Kapitel wanderten im Ideen-Pingpong hin- und her, Meike schrieb abends nach ihren anderen Verpflichtungen, am Wochenende und zwischen zwei Terminen, kurz: Eigentlich immer, wenn sich ein Zeitfenster auftat.

Die Autorin bei der Arbeit

Im Sommer 2021 hatte die “Abschaffung der Problemzonen” den Status “bald fertig” erreicht, aber Meike und mir wurde klar: Um dem Buch den letzten Schliff zu geben und letzte Lücken in der Argumentation zu füllen, konnten wir entweder noch monatelang Mails austauschen, oder wir mussten gemeinsam, an einem Ort, kontinuierlich und vor allem ungestört daran arbeiten. Wir mieteten uns für fünf Tage in der Ferienwohnung im Gutshaus Bassendorf ein, und was sich zunächst wie eine unglaubliche Extravaganz anfühlte, war genau das Richtige. Meike konnte in Ruhe schreiben, ohne ständig unterbrochen zu werden, ich war als Sparringspartnerin und fürs Kaffeekochen zur Stelle. Es war ein wahres Vergnügen, sich ungestört mit einem einzigen Projekt auseinanderzusetzen. Das Schreiben, Umarbeiten, Lektorieren und Korrigieren war Arbeit, fühlte sich aber wie Ferien an, denn all die tausend Kleinigkeiten und Verpflichtungen, die unsichtbare Arbeit des Engels im Haus, fiel einfach weg. Wir konnten uns ganz dem Denken und Formulieren, dem Argumentieren und Schreiben widmen, wie es schreibende Männer ganz selbstverständlich seit Jahrhunderten tun, weil sie sich nicht mit den prosaischen Niederungen des Alltags, der nächsten Mahlzeit, der Wäsche und dem Kind beschäftigen müssen.

Die Erfahrung, was mit finanzieller Unabhängigkeit, Raum zum ungestörten Arbeiten und dem Ignorieren der typischen familiären Aufgabenverteilung alles erreicht werden kann, war sehr erhellend und im Kontext der Thematik der “Abschaffung der Problemzonen” auch ernüchternd, schließlich geht es darin um die Reduktion von Frauen auf Äußerlichkeiten als ein Mechanismus des Patriarchats, Frauen von Machtpositionen und Ressourcen fernzuhalten. Meike Rensch-Bergners neues Buch “Abschaffung der Problemzonen” lässt sich also wunderbar vor dem Hintergund der Essays Virginia Woolfs lesen: Es ist entstanden, obwohl die Voraussetzungen – ein sicheres Grundeinkommen, Raum und Ruhe zum Schreiben – die meiste Zeit nicht gegeben waren.

Wenn Sie es noch nicht getan haben, laden Sie sich doch die Leseprobe herunter – hier – und werfen Sie einen Blick ins Buch!

Auf bald, Constanze Derham

*) Virginia Woolfs Essay Professions for Women ist gerade in einer neuen Übersetzung von Isabel Bogan unter dem Titel Freiheit ist erst der Anfang erschienen.

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Stoffe, Textilien und Mode im Gespräch im “Passt”-Podcast von Crafteln

Liebe Leserinnen und Leser,

der Übersicht halber hier noch einmal alle Folgen des “Passt”-Podcasts von crafteln.de, in denen ich mit Frau Crafteln, Meike Rensch-Bergner, über Stoffe, Kleidung, Mode und Textilien gesprochen habe. Die jeweils aktuellen Folgen des auch sonst sehr interessanten “Passt”-Podcasts, in denen es nicht nur ums Selbermachen von Kleidung geht, erscheinen immer Mittwochs bei Crafteln und natürlich in den üblichen Podcast-Apps und -Seiten.

Folge 80: Kleidung im Gespräch

Textilien gelten oft entweder als langweilig und altbacken (Handarbeiten) oder als schrecklich oberflächlich (Mode). Dabei sind Textilien – nicht nur in Form von Kleidung – in unserem Leben unverzichtbar und allgegenwärtig. Trotzdem wissen viele Menschen nur wenig über Kleidung und Textilien.

Wir wollen in dieser Staffel gemeinsam einige Geheimnisse der Textilwelt lüften: Woraus Textilien heute bestehen, wie sie hergestellt werden, warum sie bisweilen ein Problem für Mensch und Umwelt sind, wie Moden entstehen und vermarktet werden, wie Kleidung, Körper und Gesellschaft zusammenhängen und warum man dem Angebot der Bekleidungsindustrie nicht hilflos ausgeliefert sein muss.

Folge 81: Tier, Pflanze, Erdöl: Woraus Kleidung besteht

Während bis vor hundert Jahren Kleidung und andere Textilien fast ausschließlich aus Naturmaterialien bestanden, gibt es mittlerweile eine unübersehbare Menge an neuen Stoffen. Wir sprechen über die Ursachen und die Folgen dieses Kunstfaserbooms und wie wie man manchmal schon an der Materialbezeichnung die Qualität eines Stoffes erahnen kann.

Folge 82: Wie Stoff und Kleidung entstehen

Was wir heute billig kaufen können, wurde früher in langwieriger Handarbeit hergestellt, oft ganz oder teilweise von den Frauen in der Familie. Kleidung war zwangsläufig maßgeschneidert – denn Konfektion gab es noch nicht. Wir werfen einen Blick auf die Textilherstellung in früheren Zeiten und ihren Weg zur Massenproduktion.

Folge 83: Der hohe Preis der Kleidung – von Gerechtigkeit bis Klima

Mit der Erfindung der Nähmaschine veränderte sich die Produktion von Kleidung, sie wurde industriell, in Massenproduktion hergestellt und ist ein globales Geschäft. Aber auch schon früher legten Textilprodukte lange Wege zurück und auch die Umweltzerstörung ist kein Phänomen der Neuzeit. Wir werfen einen Blick auf die Geschichte und auf aktuelle Alternativen: wie findet man sozial- und umweltverträgliche Textilien?

In der Folge genannte Webseite über Umwelt- und Sozialsiegel: Siegelklarheit.de

Folge 84: Kunst, Kommerz oder beides: Was geht uns Mode an?

Ist Mode nur ein großer Konsumzirkus, um uns das Geld aus der Tasche zu ziehen? Wie sind wir an den Punkt gekommen, dass wir weit mehr Kleidung kaufen, als wir eigentlich brauchen? Wir überlegen, ob ein Leben ohne Moden möglich ist.

Die erwähnten Schnittmuster von Lindy Stokes findet man unter Stokx-patterns.com.

Folge 85: Kleidung, ich und wir

„Der erste Eindruck zählt“, sagt man. Besonders im Beruf ist seriöse Kleidung wichtig, um Professionalität auszustrahlen und ernstgenommen zu werden. Frauen sind dabei oft im Nachteil, weil es kein echtes weibliches Äquivalent zum Anzug gibt. Oder wird nach Corona alles anders? Wir sprechen über die unausgesprochenen Regeln, die weibliche Kleidung in der Öffentlichkeit bestimmen.

Das erwähnte Fotoprojekt der ähnlich gekleideten Menschen ist von Hans Eijkelboom und war auf der Documenta 14 zu sehen.

Folge 86: Körper und Kleidung

Kleidung ist die Hülle unseres Ichs – aber eben nur die Hülle, denn oft ist in Wirklichkeit der Körper gemeint, wenn über Kleidung gesprochen wird. Wir unterhalten uns über Kleidergrößen und andere Körpernormierungen und suchen nach Alternativen.

In der Episode erwähnt: Caroline de la Motte Fouqué: Geschichte der Moden. 1785-1829. Das Original erschient 1829/30, das Buch wurde 1988 neu aufgelegt und ist antiquarisch noch erhältlich.

Das neue Buch von Meike Rensch-Bergner erscheint im Frühjahr 2022 bei uns.

Folge 87: Kleidung selber machen: Das Ticket in die Freiheit

Unabhängig von Modetrends, Konfektionsgrößen und ein klein wenig nachhaltiger: Kleidung selbst zu machen und/oder Fertigkleidung zu ändern und zu pflegen löst viele Probleme. Wie fängt man an und was hält uns eigentlich davon ab?

Die Kurse von Meike Rensch-Bergner findet man auf crafteln.de.

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Willkommen!

Liebe Leserinnen und liebe Leser,

Willkommen auf der neuen Seite! Wir freuen uns sehr, unsere Bücher hier nicht nur präsentieren, sondern nun auch, wie lange gewünscht, im Onlineshop direkt anbieten zu können. Wie immer nach einem Umzug fehlen hier und da noch Kleinigkeiten und im Laufe der Zeit wird sich eventuell noch einiges ändern – meistens merkt man ja erst nach einem halben Jahr in der neuen Wohnung, wo noch eine Lampe fehlt. In der nächsten Zeit werden zunächst weitere Zahlungsmöglichkeiten und der Versand nach Österreich und in die Schweiz dazu kommen.

An dieser Stelle wird es künftig um Textilien und Bücher und Bücher über Textilien gehen: Themen, die uns bei der Arbeit an neuen Titeln beschäftigen, Nebenstränge zu unseren Büchern, die wir hier weiterverfolgen, Entdeckungen, Neuigkeiten und Veranstaltungen. Ich freue mich, wenn Sie mich bzw. uns dabei begleiten!

Herzlich, Constanze Derham